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Referat Prof. Reichel über den Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT) und seine Folgen

Prof. Reichel vom Nephrolgischen Zentrum in Villingen-Schwenningen zeigte uns auf, dass die Niere nicht nur ein exokrines (ausscheidendes) Organ, sondern auch ein endokrines (hormonelles) Organ ist, das bei einer auftretenden Nierenschädigung in beiden Bereichen zu Veränderungen führt.

Die endokrinen Veränderungen sind:

  • Abfall von aktivem Vitamin D (1,25-Dihydroxyvitamin D3 oder Calcitriol)
  • Anstieg von PTH

Die exokrinen Veränderungen sind:

  • Verminderte renale Phosphatausscheidung
  • Verminderte renale Calciumausscheidung

Der Calciumhaushalt eines gesunden Menschen wird in folgender Aufstellung erklärt: Calciumhaushalt eines gesunden Menschen

Wie man den obigen Darstellungen entnehmen kann ist die Ausscheidung über die Niere vor allem beim Phosphat sehr wichtig. Kommt es zum Nierenversagen so sind der Calcium- und vor allem der Phosphathaushalt empfindlich gestört. Wichtig zu wissen ist, dass sich vom Calcium ca. 99 % und vom Phosphat ca. 85 % im Knochen befinden und nur ein verschwindent kleiner Teil sich frei im Serum feststellen lässt.

Das Parathormon (PTH), das in der Nebenschilddrüse gebildet wird, ist ein Hormon, das aus 84 Eiweißverbindungen besteht und verschiedene Aufgaben im Körper erfüllt. Es ist ein aktives Hormon, welches für die Knochenregulierung und für die Erhaltung eines konstanten Serumgehaltes an Calcium und Phosphat im Blut zuständig ist. Weiterhin ist es auch für die Förderung der renalen Bildung (Bildung in der Niere) von 1,25-Dihydoxyvitamin D3 zuständig. Bereits im frühen Prädialytiker Stadium steigt das PTH, weil das Vitamin D fällt, da die geschädigten Nieren nicht mehr in der Lage sind genügend davon zu produzieren. Aktives Vitamin D fördert die Freisetzung von Calcium und Phospat aus dem Knochen und stimuliert die Knochenmineralisation, fördert die Calcium- und Phosphataufnahme aus dem Darm, hemmt die PTH-Ausschüttung, somit steigt das Calcium an.

Prof. Reichel zeigte uns einige Folien, die uns verdeutlichten, dass bereits im frühen Stadium eines Nierenversagens das PTH erhöht und das aktive Vitamin D sehr niedrig ist. Das Fatale am hohen PTH ist, dass es, ebenso wie die Nierenerkrankung selbst, keine Symptome zeigt. Wenn jedoch Symptome zu Tage treten ist es viel zu spät um noch etwas dagegen zu unternehmen. Durch erhöhtes PTH wird mehr Knochen ab- als wieder aufgebaut. Die Hauptfaktoren des sHPT sind ein Mangel an aktivem Vitamin D (Calcitriol), eine Hyperphosphatämie sowie die Tendenz zur negativen Calciumbilanz.

Prof. Reichel zeigte uns Röntgenaufnahmen an denen sehr genau der Knochenabbau zu erkennen war. Weiterhin hatte er einige Daten über das Frakturrisiko bei erhöhtem PTH, was nicht als unwesentlich bezeichnet werden kann.

Unter anderem sind folgende Symptome bei einem schweren sHPT zu beobachten:

  • Knochenschmerzen
  • Fraktur
  • Sehnenabriß
  • Größenminderung des Patienten u. a.

Jedoch manifestiert sich der sHPT auch außerhalb des Bewegungsapparates durch Verkalkungen der Weichteile und Organe sowie der Gefässe (kardiovaskuläre Probleme). Die Diagnose des sHPT wird am besten über die Messung verschiedener Knochenmarker (alkalische Knochenphosphatase, Saure Knochenphosphatase, ß-Crosslaps u. a.) durchgeführt. Die Messung des Serum-Calcium, sowie des Serum-Posphat sollte monatlich, die Messung des PTH vierteljährlich erfolgen.

Wahrscheinlich werden Anfang 2009 die bisherigen Leitlinien der K/DOQI durch die neuen Leitlinien der KDIGO ersetzt. In den KDIGO-Leitlinien wird es wohl keine verbindlichen Zielbereiche mehr für Calcium, Phosphat und PTH geben.

Die derzeitige Therapie des sHPT wird mit der Gabe von aktivem Vitamin D, Gabe eines Calcimimetika (Cinacalcet), der Therapie der Hyperphosphatämie (medikamentös, Diät, Dialysedosis), Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Calciumbilanz sowie die chirurgische Parathyreoidektomie (Entfernung der Nebenschilddrüsen) durchgeführt.

Danach verdeutlichte Prof. Reichel uns durch einige Folien die Wirkung von Vitamin D und Calcimimetika. Weiterhin zeigte er einige Studien, die nachwiesen, dass Dialysepatienten, die mit Vitamin D behandelt werden einen relativ niedrigeres Mortalitätsrisko (Sterberisiko) haben ebenso ein reduziertes Risiko einer Malignombildung (Krebs).

Was jedoch zu beachten ist, dass aktives Vitamin D zur Erhöhung des Calcium und des Phosphates im Serum führt. Sollten bei Patienten diese Werte zu weit erhöht werden, so ist auf Cinacalcet zurückzugreifen. Wird das Cinalcet im frühen Stadium des sHPT mit noch geringer Vergrößerung der Nebenschilddrüse eingesetzt, reduziert sich das Risiko einer Chirurgischen Entfernung erheblich. Dies ist vor allem bei Patienten auf der Warteliste sehr wichtig, da sich die PTH-Werte nach einer gelungenen Transplantation wieder senken werden.

Zum Schluss kam Prof. Reichel noch auf den gestörten Calcium/Phosphat- und Knochenstoffwechsel nach Nierentransplantation zu sprechen. Dieser kann durch einen persistierenden (fortdauernd) sHPT, gestörter Vitamin D Stoffwechsel, Hypercalcämie, Hyophospatämie, Störungen des Knochenumsatzes und der Knochenmineralisation, Osteoporose und chronische Transplantatnephropathie (Schädigung des Transplantates) gestört werden.

Es gibt mehrere Risikofaktoren für einen persistierneden HPT: diese sind vor allem hohes PTH vor Nierentransplantation, Dauer der Dialysebehandlung, Größe der Parathyreodeae (Epithelkörperchen) u. a. Ein unkontrollierter sHPT vor Transplantation ist ein Risikofaktor für einen persistierenden HPT nach der Transplantation. Vergrößerte Epithelkörperchen der Nebenschilddrüse können sich im Laufe von Monaten bis mehreren Jahren wieder zurückbilden, wobei die Lebensdauer einer solchen Zelle bis zu 20 Jahren betragen kann. Es erfolgt eine Zellerneuerung pro Jahr von ca. 5 – 7 %.

Ein weiteres häufiges Problem nach Nierentransplantation ist bei über 50 % der Patienten eine Hypercalcämie. Die Ursachen sind ein persistierender HPT, der Anstieg des Calcitriol, Rückgang der ossären (den Knochen betreffend) PTH-Resistenz und eine Rückbildung der Verkalkungen der Weichteile sowie der Organe.

Als Zusammenfassung ist festzustellen, dass der sHPT im längeren Verlauf gravierende Folgen hat. Die Normalisierung des PTH wird bei Dialyse wegen des Risikos eines reduzierten Knochenumsatzes nicht angestrebt. Neben generellen Maßnahmen ist eine spezifische medikamentöse Therapie des sHPT unter Berücksichtigung der Indikationen und Kontraindikationen relativ früh im Verlauf des sHPT anzusetzen. Ein schwerer sHPT muss vor einer Nierentransplantation saniert werden.

Rainer Merz