Beitragsseiten

Gesundheitspolitik 2008/2009 – Was kommt danach?

Nachdem wir uns in der Kaffeepause kurz von den Informationen über die 2007 eingeführten Rabattverträge und die damit verbundenen Probleme erholt hatten, erwartete uns Dipl. Betriebswirt und Redakteur Manfred Pfeiffer mit dem Thema Gesundheitspolitik 2008 – Was kommt danach?

Dabei wurde auch dem Letzten von uns klar, dass wir uns mitten in einem kompletten Wandel der gesundheitlichen Versorgung befinden. Nachdem in 2007 die Krankenversicherung für alle Bürger und Bürgerinnen eingeführt wurde (01.04.07 GKV-Versicherte, 01.07.07 Privatversicherte), wurde zum 01.07.08 die Pflegereform in Kraft gesetzt. Dem soll zum 01.01.09 die Einführung eines Basistarifs für alle Krankenkassen mit der Möglichkeit privater Zusatzversicherungen folgen.

Konkret besteht die Gesundheitsreform aus folgenden Stufen:

  1. Reform der Versorgungsstruktur
  2. Reform der Organisation der Krankenkassen
  3. Reform der Finanzordnung
  4. Reform der privaten Krankenkassen

Die Reform der Versorgungsstruktur umfasst folgende Punkte: die ambulante Behandlung in Krankenhäusern, die palliativmedizinische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, die häusliche Krankenpflege, Impfungen und Kuren. Hier zeigt sich bereits heute, dass nach abgeschlossener stationärer Behandlung die qualitativ gute Versorgung mit Hochleistungs-medikamenten im ambulanten Bereich nicht fortgesetzt werden kann. Infolge der Rabattverträge mit den Krankenkassen sind die ambulanten Apotheken im Gegensatz zu den Kliniken gezwungen die therapiesicheren teuren Originalmedikamente durch Generika auszutauschen. Diese können trotz Wirkstoffgleichheit leider zu Abweichungen in der Wirkungsweise z.B. in der Freisetzung des Wirkstoffs führen. Hier wird wenn der Arzt aut idem verweigert im Interesse der Compliance empfohlen, sich wenigstens auf ein Generika – Medikament festzulegen und dieses streng kontrolliert in die Therapie einzuführen. In der Palliativmedizin geht es um die Frage des Sterbens in Würde, d.h. zu Haus in den eigenen vier Wänden oder aber auf einer palliativen Station (z.B. Hospiz).

Für die Rehabilitation wird in Zukunft die im Zweifel erfolglose nicht medikamentöse Therapie vor die medikamentöse Therapie gestellt. Bei den Impfungen wird es auch in Zukunft keine Pflichtimpfungen geben, trotz der Rückkehr mancher Krankheiten.

Bei der Reform der Organisation der Krankenkassen soll das System der Arzneimittelversorgung geprüft, Medizinprodukte nach Kosten u. Nutzen untersucht, für teure hochinnovative Arzneien eine ärztliche Zweitmeinung, Rabattverträge mit Pharmafirmen sowie Ausschreibungen für Hilfsmittel und Arzneimittel eingeführt werden.

Hier heißt es als Betroffener aufzupassen, sich rechtzeitig zu informieren und wenn notwendig seinen Rechtsanspruch einzufordern. Dass dies nicht so leicht ist hat man in den letzten Wochen bei der Diskussion um die Patientenverfügung gemerkt.

Die Reform der Finanzordnung besteht in der Einführung eines Gesundheitsfonds zum 01.01.2009. Damit soll die unterschiedliche Finanzkraft der Krankenkassen ausgeglichen werden. Konkret wird pro Versichertem ein bestimmter Betrag zugewiesen. Das wirft die Frage auf, wonach orientiert sich dieser Betrag? Gibt es eine einheitliche Zuweisung oder welche Faktoren werden zur Ermittlung hinzugezogen? Alter? Geschlecht? Krankheitsfaktor? Bei 50 – 80 Krankheiten? Wird die Höhe des persönlichen Einkommens berücksichtigt oder handelt es sich um pauschale Beträge? Wird hiermit der Weg für die Einheitskrankenkasse frei gemacht?

Und was passiert wenn die Kassenärztliche Vereinigung wegfällt? Muss dann jeder Arzt mit jeder Krankenkasse einen eigenen Vertrag abschließen? Was ist wenn ich in einer Krankenkasse bin, mit der mein Arzt keinen Vertrag hat? Dazu kommt das Ärzte Mediziner und keine Wirtschaftler sind. Inwieweit ist der einzelne Arzt in der Lage entsprechende alles umfassende Verträge auszuhandeln? Des Weiteren ist bei gut wirtschaftenden Krankenkassen mit guten Konditionen zu rechnen, u.a. mit Beitragsrückerstattungen. Während bei schlecht wirtschaftenden Krankenkassen es wohlmöglich zu Beitragserhöhungen kommen wird.

Die Reform der privaten Krankenversicherungen folgt ab 01.01.2009 nach der Einführung des Basistarifs. Hier soll Kontrahierungszwang bestehen, dass heißt es darf kein Antragsteller ausgeschlossen werden (weder Risikoausschlüsse noch Risikozuschläge). Leistungsumfang und Höchstbetrag sollen denen der GKV entsprechen. Auch sollen die privaten Krankenversicherungen offen für freiwillig gesetzlich Versicherte sein.

Dazu kommt die Einführung der Vertragsgebührenordnung, d.h. einer leistungsgerechten Vergütung der ärztlichen Leistung. Daneben sind weitere Maßnahmen geplant, wie die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, der elektronischen Patientenakte sowie Hausarztverträge.

Im Ergebnis soll die Reform zu einer Stärkung des Kassenwettbewerbs, zu mehr Eigenverantwortung der Versicherten, maßgeschneiderten Angeboten der Krankenkassen, Straffung der Verbundstruktur der Krankenkassen, einer Neustrukturierung der Spitzenverbände der GKV und einer Fusionierung der Krankenkassen führen.

Es wird dazu kommen, dass weitere Leistungen aus dem Katalog der Krankenkassen gestrichen werden, die dann als IGEL-Leistungen selbst bezahlt werden müssen. Es werden Disease-Betreuungsprogramme eingeführt werden. Die Spitzenverbände der GKV sollen zu einem Bundesverband zusammengeschlossen werden, was die Bürokratie weiter erhöht.

Fazit: Die Gesundheitsreform wirft für uns chronisch Kranke mehr Fragen auf, als sie beantwortet und schafft ein Verhältnis der Unsicherheit. Es hat den Anschein das Wirtschaftlichkeit vor medizinische Notwendigkeit, Budgeteinhaltung vor Compliance gestellt wird. Es zeigt sich, dass es für jeden Einzelnen von uns lebenswichtig wird, gut informiert zu sein und in der Lage zu sein für seine Rechte einzutreten. Allein aber auch zusammen mit Gleichbetroffenen wenn der Einzelne kein Gehör findet. Damit gewinnt in Zukunft die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft wie dem Juni e.V. eine ganz neue Gewichtung.

Anja Sachs

  • 0001
  • 0002
  • 0003
  • 0004
  • 0005
  • 0006
  • 0007
  • 0008
  • 0009
  • 0010
  • 0011
  • 0012
  • 0013
  • 0014
  • 0015
  • 0016
  • 0017