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Erwin MangerHerr Erwin Manger vom Versorgungsamt Bayreuth informierte uns über den Weg zum Schwerbehindertenausweis

1. Der Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises muss:

  • schriftlich oder zur Niederschrift gestellt werden
  • an die AVF, andere Sozialleistungsträger oder die örtliche Gemeinde
  • vom Betroffenen selbst gestellt werden, sofern dieser handlungs- und geschäftsfähig ist. Ansonsten ist hier sein amtlicher Vertreter zuständig.

2. Ermittlung der notwendigen Daten

  • Werden durch das Amt für Versorgung und Familienförderung (AVF) von Amts wegen durchgeführt
  • Ermittelt wird bei:
    • Befundberichten der behandelnden Ärzte
    • Berichte der Krankenhäuser und Kuranstalten
    • Gutachten der Pflegekasse, Krankenkasse, Rentenversicherung
  • Ausnahmsweise können Untersuchungen durch das AVF vorgenommen werden

3. Auswertung der Daten

  • Die sozialmedizinische Auswertung der Daten erfolgt durch den ärztlichen Dienst des Amtes:
    • nach Aktenlage
    • nach Untersuchung

4. Die Umsetzung der Auswertung erfolgt durch Verwaltungsbeamte. Es erfolgt die:

  • Schlüssigkeitsprüfung
  • Bescheiderteilung
  • Ausweisausstellung

5. Definition "Behinderung" nach § 2 SGB IX

  • Menschen sind behindert, wenn ihre:
    • körperliche Funktion
    • geistige Fähigkeit oder
    • seelische Gesundheit
    mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauern wird von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

6. Grad der Behinderung (GdB)

Die Auswirkungen der vorliegenden Behinderung/en auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden durch den GdB widergespiegelt. Da der GdB nur annähernd bestimmt werden kann, erfolgt eine Abstufung in Zehnergraden.

Die Einstufung richtet sich nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz. Diese sind für die Verwaltung bindend.

7. Schwerbehinderung lt. § 2 Abs. 2 SGB IX und Gleichstellung lt. § 2 Abs 3,4 SGB IX

  • Grundsätzlich sind Menschen schwerbehindert ab einem GdB von 50.
  • Personen, die einen GdB von 30 oder 40 haben, können zur Erlangung oder zum Erhalt eines Arbeitsplatzes einen Antrag auf Gleichstellung stellen. Behinderte Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in der Berufsausbildung befinden, können diesen Antrag auf Gleichstellung auch bei einem GdB < als 30 stellen

8. Berechnung des Gesamt-GdB

Bei der Berechnung des Gesamt-GdB werden die einzelnen Behinderungen nicht zusammengerechnet. Ausschlaggebend ist:

  • erstens das schlimmste der vorhandenen Leiden und
  • zweitens die Schwere der Beeinträchtigung der weiteren Leiden auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

9. Einstufung bei Schäden der Harnorgane

Die Beurteilung des GdB richtet sich nach dem:

  • Ausmaß der Störungen der inkretorischen (Entgiftung) und exkretorischen (Ausscheidung) Nierenfunktion und/oder des Harntransportes.
  • Daneben sind die Beteiligung anderer Organe (z.B. Herz/Kreislauf, Zentralnervensystem, Skelettsystem), die Aktivität eines Entzündungsprozesses, die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die notwendige Beschränkung in der Lebensführung zu berücksichtigen.
  • Unter dem Begriff "Funktionseinschränkung der Nieren" ist die Retention (zurückhalten / nicht ausscheiden) harnpflichtiger Substanzen zu verstehen.

10. Einstufung bei Nierenfunktionseinschränkungen

Grad der Nierenfunktionseinschränkungen GdB
Leichten Grades GdB
= Serumkreatininwerte unter 2 mg/dl, Kreatininclearence ca. 35 bis 50 ml/Min., Allgemeinbefinden nicht oder nicht wesentlich reduziert, keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit
20 - 30
Serumkreatininwerte andauernd zwischen 2 und 4 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden wenig reduziert, leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit 40
Mittleren Grades
= Serumkreatininwerte andauernd zwischen 4 und 8 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden stärker beeinträchtigt, mäßige Einschränkung der Leistungsfähigkeit
50 - 70
Schweren Grades
= Serumkreatininwerte dauernd über 8 mg/dl, Allgemeinbefinden stark gestört, starke Einschränkung der Leistungsfähigkeit, bei Kindern keine normalen Schulleistungen mehr
80 - 100
Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere mit Funktionseinschränkung der anderen Niere
Leichten Grades
Mittleren Grades
Schweren Grades
40 - 50
60 - 80
90 - 100
Notwendigkeit der Dauerbehandlung mit Blutreinigungsverfahren (z. B. Hämodialyse, Peritonealdialyse) 100

Bei allen Nierenschäden mit Funktionseinschränkungen sind Sekundärleiden (z. B. Hypertonie, ausgeprägte Anämie (HB-Wert unter 8 g/dl), Polyneuropathie, Osteopathie zusätzlich zu bewerten; sie sind bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.

11. Einstufung nach Nierentransplantation

Nach Nierentransplantation ist eine Heilungsbewährung abzuwarten (im allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdB/MdE-Grad von 100 anzusetzen. Danach ist der GdB/MdE-Grad entscheidend abhängig von der verbliebenen Funktionsstörung; unter Mitberücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression ist jedoch der GdB/MdE-Grad nicht niedriger als 50 zu bewerten.

12. GdB-abhängige Nachteilsausgleiche

  • Steuerfreibetrag (ab GdB 30 = 310 EUR - max. 1.420 EUR)
  • Bevorzugte Einstellung / Beschäftigung, §§ 81, 122 SGB IX
  • Kündigungsschutz, §§ 85 ff, SGB IX
  • Freistellung von Mehrarbeit, § 124 SGB IX, § 12 AzV
  • Zusatzurlaub, § 125 SGB IX
  • Stundenermäßigung, § 3 IV UrIV
  • Vorgezogene Altersrente / Pensionierung
  • Freibeträge, Ermäßigungen
  • Benachteiligungsverbot, Anspruch auf Teilzeit, § 81 SGB IX

13. Chronikerregelung

Von einer schwerwiegenden chronischen Krankheit spricht man, wenn die Krankheit seit mindestens einem Jahr besteht und mindestens eine Kontrolluntersuchung pro Quartal notwendig ist oder wen ein GdB von mindestens 60 vorhanden ist.

14. Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen durch Zusatzeintragungen (Buchstaben)

Buchstabe / Bedeutung Nachteilsausgleiche Vergünstigungen
G = erhebliche Gehbehinderung In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. § 146 I SGB IX.
  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (ggf. gegen Eigenbeteiligung = Wertmarke 60 EUR) oder Kfz-Steuer-Ermäßigung
  • Abzug tatsächlicher Kosten für Fahrten zur Arbeitsstätte mit dem Kfz
  • Abzugsbetrag für behinderungsbedingte, unvermeidbare Fahrten für GdB ab 70: 3.000 km x 0,30 EUR = 900 EUR/Jahr
  • Mehrbedarfserhöhung bei der Grundsicherung um 17 v. H., § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, nur für voll Erwerbsgeminderte
Wie oben Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Bei inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie (siehe Nummer 26.12), sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Wie oben
B = Notwendigkeit ständiger Begleitung Ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen notwendig, die bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. § 146 II SGB IX
  • Unentgeltliche Beförderung der Begleitperson im öffentlichen Nahund Fernverkehr, ausgenommen Sonderzüge und Sonderwagen.
  • Bei blinden Menschen auch im internationalen Eisenbahnverkehr
aG = außergewöhnliche Gehbehinderung Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können.
  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (ggf. gegen Eigenbeteiligung = Wertmarke 60 EUR) und Kfz-Steuer-Ermäßigung
  • Anerkennung der Kfz-Kosten für Privatfahrten als außergewöhnliche Belastung bis zu 15.000 km x 0,30 EUR = 4.500 EUR/Jahr
  • Kostenerstattung für die Fahrt zur ambulanten Krankenbehandlung - Krankentransportrichtlinie
H = Hilflosigkeit Als hilflos ist derjenige anzusehen, der infolge von Gesundheitsstörungen - nach Teil 2 SGB IX und dem Einkommensteuergesetz "nicht nur vorübergehend" - für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. §§ 145 SGB IX i.V.m. 33 b VI EStG
  • Steuerfreibetrag von 3.700 EUR
  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (ggf. gegen Eigenbeteiligung = Wertmarke 60 EUR) und Kfz-Steuer-Ermäßigung
  • Kostenerstattung für die Fahrt zur ambulanten Krankenbehandlung - Krankentransportrichtlinie
  • Pflegegeld, häusliche Pflegehilfe, SGB XI, SGB XII
RF = Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht Diese gesundheitlichen Voraussetzungen sind nach landesrechtlichen Vorschriften und ergänzender Rechtsprechung immer erfüllt bei:
  • Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung.
  • Hörgeschädigten, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist.
  • Behinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
GL = Gehörlosigkeit Gehörlos sind schwerbehinderte Menschen, bei denen ein vollständiger Gehörverlust auf beiden Ohren besteht. Als gehörlos gelten auch schwerbehinderte Menschen, bei denen eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beiderseits sowie schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen. AP Nr. 30 Abs. 1
  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (ggf. gegen Eigenbeteiligung = Wertmarke 60 EUR) oder Kfz-Steuer-Ermäßigung
  • Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
Bl = Blindheit Blind ist der behinderte Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch der Behinderte anzusehen, dessen Sehschärfe (siehe Nummer 26.4) auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten sind. AP Nr. 23
  • Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (ggf. gegen Eigenbeteiligung = Wertmarke 60 EUR) und Kfz-Steuer-Ermäßigung
  • Anerkennung der Kfz-Kosten für Privatfahrten als außergewöhnliche Belastung bis zu 15.000 km x 0,30 EUR = 4.500 EUR/Jahr
  • Kostenerstattung für die Fahrt zur ambulanten Krankenbehandlung - Krankentransportrichtlinie
  • Steuerfreibetrag von 3.700 EUR
  • Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
  • Blindenhilfe, § 72 SGB XII
  • Blindengeld nach Landesrecht (BayBlindG)

Neu ist die Möglichkeit der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises auf unbefristete Zeit, wenn der Ausweis in der vorliegenden Form bereits einmal um mindestens 5 Jahre verlängert wurde.

Damit beendete Herr Manger seinen sehr interessanten und ausführlichen Vortrag zum Thema "Schwerbehindertenausweis".

Weitere mögliche Nachteilsausgleiche/Vergünstigungen - Tipps von Patient zu Patient bzw. aus dem Internet, die nicht Inhalt des Vortrags waren. Weitere Informationen auch unter www.global-help.de.

Vergünstigung / Nachteilsausgleich Voraussetzung Quelle
Beitragsermäßigung für die ADAC- und ADACPlus-Mitgliedschaft in Höhe von ca. 10 EUR/Jahr GdB von mind. 50 ADAC
15 bis 20 % Rabatt oder Pauschalrabatte beim Autokauf bei vielen Markenherstellern Vorlage des Behindertenausweises Geldsparen.de
15 % Rabatt beim Autokauf für Angehörige schwerbehinderter Kinder oder Erwachsener, die selbst keinen Pkw fahren können. - Hersteller fragen Schwerbehindertenausweis mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent und wenigstens einem Merkzeichen G, aG, H, BL oder B Magazin Handicap 3/2003 Seite 13
Verschiedene Rabatte bei Mobilfunkanbietern zum billigeren telefonieren. Vorlage des Schwerbehindertenausweises Verschiedene Quellen
Befreiung von der Kurtaxe Vorlage des Schwerbehindertenausweises, GdB von 80, tlw. 100 Magazin Handicap 3/2003 Seite 92
Nachlass bei Eintrittspreisen zu kulturellen Veranstaltungen (Kino, Theater usw.) Vorlage des Schwerbehindertenausweises, tlw. GdB ab 80, Buchstabe B  
Krankenversicherung: Schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 2 Abs.2 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - können unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb von 3 Monaten nach Feststellung dieser Eigenschaft der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beitreten (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 4 SGB V ). Auskünfte erteilen die gesetzlichen Krankenkassen.    
Wohngeld Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens wird bei schwerbehinderten Menschen mit einem GdB von 100 bzw. 50-90 und Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - ein Freibetrag abgesetzt. Auskünfte erteilen die zuständigen Stellen bei den Städten, Landkreisen und Gemeinden.    
Parkerleichterungen Personen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen aG) und Blinden (Merkzeichen BI) können Parkerleichterungen dadurch gewährt werden, dass sie durch Ausnahmegenehmigungen von bestimmten Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung befreit werden (z.B. an Parkuhren ohne Gebühr und zeitliche Beschränkung zu parken; an Stellen, an denen das eingeschränkte Halteverbot angeordnet ist, bis zu drei Stunden zu parken; in Fußgängerzonen während der Ladezeit zu parken). Auskünfte erteilen die Straßenverkehrsämter.    
Erziehungsgeld Bei der Berechnung des maßgeblichen Einkommens der Eltern wird der steuerlich anerkannte Pauschbetrag für ein behindertes Kind, der je nach Grad der Behinderung 310,-- EUR bis 3.700,-- EUR beträgt, in Abzug gebracht. Auskünfte erteilen die Erziehungsgeldstellen der Landkreise und zuständigen Gemeinden.    

Monika Centmayer

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