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"Dialyse vermeiden – Ist das möglich?" Seminarbericht zum Vortrag von Uwe K.H. Korst

Im Rahmen unseres Seminars "Dialysearten heute" vom 22.-25.03.2007 in Bad Salzschlirf erhielten wir von Herrn Korst interessante Informationen zum Thema "Dialyse vermeiden – Ist das möglich?" und bekamen darüber hinaus umfassende Kenntnisse über den Aufbau und die Funktion unserer Nieren vermittelt. Herr Korst ist beim Bundesverband Niere e.V. als Koordinator für Prävention tätig und ist Mitglied in der Selbsthilfegruppe Familiäre Zystennieren e.V.

Uwe KorstZu Beginn seines Vortrags stellte Herr Korst uns einige Zahlen zur Situation der nierenkranken Menschen in Deutschland vor: Es gibt über 2 Mio. chronisch Nierenkranke, von denen nur 40 % angemessen behandelt werden. Die derzeit ca. 65.000 Dialysepatienten kosten die Krankenkassen ca. 2 % ihres Budgets (p.a.) und nehmen jährlich um 5% zu. 10.000 Dialysepatienten stehen auf der Warteliste für eine Spenderniere, nur ca. 2.000 davon erhalten eine postmortale (Leichen-) Nierenspende pro Jahr.

Herr Korst erklärte uns den Aufbau des Hochleistungsorgans Niere sowie die Aufgaben dieses "Multitalents". Die Nieren sind zwei paarig angelegte Organe, die in gesundem Zustand 9-12 cm lang und 4-6 cm breit sind und zusammen ca. 300 g wiegen. Gesunde Nieren haben eine meist glatte Oberfläche und sind aufgrund der zahlreichen Aufgaben, die sie für den Körper wahrnehmen, sehr gut durchblutet. Die Hauptaufgaben der Nieren bestehen aus der Ausscheidung (Entgiftung von wasserlöslichen, niedermolekularen Stoffwechselprodukten und körperfremden Substanzen) sowie der Regulation des Säure-Basenhaushaltes (ausgeglichener Wasser- und Elektrolythaushalt).

Einen Funktionsverlust unserer Nieren bewirken Störungen in unserem Körper, die mit unterschiedlichen Therapien behandelt werden können. So kann der gestörte Knochen- und Vitaminstoffwechsel Knochenverkalkung und Osteoporose verursachen, die verminderte Blutbildung eine Anämie bewirken und die gestörte Blutdruckregulation zu Bluthochdruck führen. Diese Symptome können teils durch Medikamente, teils aber auch durch Erhöhung der körperlichen Aktivität beherrscht werden. Bei fortschreitendem Funktionsverlust sind die Symptome nur noch durch eine Nierenersatztherapie (Dialyse) sowie konsequenter Diät zu beherrschen. Ist die Ausscheidungsfunktion der Nieren stark reduziert, bewirkt die Störung des Flüssigkeitshaushaltes Wassereinlagerungen und Ödeme. Durch den gestörten Elektrolythaushalt wird insbesondere Kalium und Natrium im Blut angereichert und die fehlende Entgiftung von harnpflichtigen Substanzen (Kreatinin, Harnstoff) führt zu Müdigkeit, Juckreiz und Abgeschlagenheit. Dies ist das Endstadium der Nierenfunktion und wird als Urämie bezeichnet.

Es gibt zwei Formen einer Nierenschädigung, zum einen das akute Nierenversagen, das meist vorübergehend ist und durch Infektionen oder nach operativen Eingriffen verursacht wird, zum anderen das chronische Nierenversagen ohne Rückbildung, das durch eine langsame Entwicklung mit zunehmender Nierenfunktionsverschlechterung gekennzeichnet ist.

Die Ursachen einer Nierenerkrankung sind oft die Langzeitfolgen eines Diabetes mellitus oder über lange Zeit unbehandelten Bluthochdrucks, aber auch Immunerkrankungen, angeborene Fehlbildungen wie Zystennieren oder chronischer suchtartiger Schmerzmittelgebrauch können einen Funktionsverlust verursachen.

Die verschiedenen Diagnosen der Nierenerkrankungen stellen sich statistisch wie folgt dar (Stand 2004):

  • Diabetes Typ I und II: 34 %
  • Zystennieren: 5 %
  • Interstitielle Nephritis: 8 %
  • Vaskuläre Nephropathie: 22 %
  • Systemerkrankungen: 4 %
  • Unbekannte Genese: 9 %
  • Glomerulonephritis: 12 %
  • Hereditär / Kongenital: 1 %
  • Verschiedene: 4 %

Dabei ist eine deutliche Zunahme der Nierenerkrankungen aufgrund Diabetes und vaskulärer Nephropathie (= Gefäßschädigungen der Nieren, meist altersbedingt) zu verzeichnen.

Wie wird die Nierenfunktion quantifziert d.h. bewertet?
Herr Korst erklärte uns, dass der grundlegende Parameter hierfür die glomeruläre Filtrationsrate (=GFR) ist, die jedoch nicht direkt messbar ist und aus Parametern wie Kreatinin, Alter und weiteren Faktoren berechnet wird. Der große Nachteil hierbei ist, dass es einen "kreatinin-blinden" Bereich gibt, in dem trotz eines Kreatininwerts von < 1,5 mg/dl bereits eine stark eingeschränkte Nierenfunktion von < 30 ml/min vorliegen kann. Eine chronische Nierenerkrankung liegt bei einer GFR von weniger als 60 ml/min/1,73 m² über einen Zeitraum von länger als 3 Monaten vor.

Zur Bestimmung des GFR gibt es verschiedene Formeln: die Cockroft-Gault-Formel (Kreatininclearance), die MDRD-Formel sowie die Schwartz-Formel für Kinder. Auf einer Internetseite (www.nierenrechner.de) kann die Nierenfunktion berechnet werden, des Weiteren bietet sie umfassende Informationen über chronische Nierenerkrankungen und die Bewertung der Nierenfunktion.
Als idealer Marker zur Bestimmung der Nierenfunktion gilt die Inulin-Clearance und die Bestimmung des Cystatin-C. Die Serumspiegel steigen hierbei indirekt proportional zur GFR und wesentlich früher im Vergleich zum Serumkreatinin bereits ab einer GFR von 90 ml/min/1,73 m² an. Aber auch durch einen Urintest beim Hausarzt zur Bestimmung der Eiweißausscheidung bzw. einer Blutbildanalyse kann eine Nierenerkrankung erkannt werden.

Anhand einer Tabelle veranschaulichte uns Herr Korst die verschiedenen Stadien einer chronischen Niereninsuffizienz:

Stadium Beschreibung GFR (ml/min/1,73m²) Maßnahmen
1 Nierenerkrankung mit normaler GFR > 90 Diagnose, spezielle Therapie, Progressionshemmung
2 Nierenerkrankung mit milder Funktionseinschränkung 60 - 89 Progressionshemmung
3 Mittelgradige Niereninsuffzienz 30 - 59 Diagnose u. Behandlung von Sekundärkomplikationen
4 Hochgradige Niereninsuffizienz 15 - 29 Vorbereitung auf Nierenersatztherapie
5 Terminales Nierenversagen (Urämie) < 15 Beginn Nierenersatztherapie

Zur Diagnose der Erkrankung werden Blutuntersuchungen, die Ermittlung der Nierenfunktion durch GFR und Clearance, aber auch verschiedene bildgebende Diagnoseverfahren wie Ultraschall, Computer- oder Kernspinn-Tomographie angewandt. Auch genetische Untersuchungen sind möglich.

Durch den Einsatz von einfachen Screeninguntersuchungen soll in erster Linie eine Prävention von Nierenerkrankungen, eine frühzeitige Diagnosestellung, die Erfassung von Hochrisikogruppen sowie eine frühzeitige Überleitung in fachärztliche (nephrologische) Betreuung erreicht werden.

Eine frühe Betreuung verbessert die Prognose eines Nierenkranken erheblich, daraus resultierende Folgeerkrankungen wie Blutarmut, Bluthochdruck oder die Übersäuerung des Blutes können so erheblich reduziert werden und für eine verbesserte Lebensqualität sorgen.

Abschließend erläuterte uns Herr Korst noch, was jeder einzelne eigenverantwortlich für die Verzögerung des Krankheitsverlaufs beitragen kann, wenn eine Funktionsstörung der Nieren diagnostiziert wurde. Hierbei sollte man insbesondere darauf achten, Arzttermine zu Urin-, Blut- und Ultraschalluntersuchungen nicht aufzuschieben und eigenverantwortlich zu Hause sorgfältige Blutdruckmessungen durchzuführen, sowie den Verlauf der Untersuchungsergebnisse (einschließlich Körpergewicht!) dokumentieren. Bei chronischer Nierenschädigung wird ein Zielblutdruck von 120/80 mmHg angestrebt, notfalls müssen mehrere Blutdruckmedikamente kombiniert werden. Lange eingenommene Blutdruckmedikamente dürfen nicht abrupt abgesetzt werden! Des Weiteren bewirkt ggfs. eine Gewichtsreduktion und der Verzicht auf Rauchen einen positiven Effekt zur Verzögerung des Funktionsverlustes. Im Prä-Dialyse-Stadium (ab ca. Stadium 3-4) sollte zudem durch eine leichte Proteinbeschränkung, einer salzarmen Ernährung sowie der Einschränkung des Koffeinkonsums die Ernährung angepasst werden.

Als Schlusswort gab uns Herr Korst wertvolle Tipps anderer Art mit auf den Weg: Auch die "Heilkraft der Bewegung", d.h. sportliche Betätigung und gezielte körperliche Aktivitäten haben Auswirkungen auf unseren Kreislauf. Jeder einzelne sollte seine Lebenseinstellung überdenken, Stress reduzieren und so zu einer positiven Lebenseinstellung gelangen!

Christine Wörner

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